Jonathan Hull: In der Ferne die Normandie

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Tirah
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Jonathan Hull: In der Ferne die Normandie

Beitrag von Tirah »

Jonathan Hull: In der Ferne die Normandie



Klappentext:
„Matts Asche zu stehlen war das Beste, was Andrew jemals getan hatte… Alle hatten ihn in Verdacht, aber sie konnten ihm nichts beweisen. Das perfekte Verbrechen.“

Sonst ist allerdings nichts perfekt im Leben des Sechzehnjährigen, und als er mit einem Messer auf einen Mitschüler losgeht, ist es vorbei mit dem Verständnis der Erwachsenen: Er wird vorübergehend von der Schule gewiesen. Seine Mutter weiß sich keinen anderen Rat, als ihn zu seinem alleinstehenden Großvater Mead zu schicken.
Aber ist es wirklich eine gute Idee den verstockten Jugendlichen zu einem alten Mann abzuschieben, der von den Sorgen und Bedürfnissen junger Leute ungefähr so weit entfernt ist wie die Erde vom Mars? Andrew verweigert sich jedenfalls und läßt den wohlmeinenden alten Mann auflaufen.
Erst als die Situation eskaliert, entschließt sich der Großvater zu handeln und lädt Andrew auf eine Europafahrt ein. Für Mead eine Reise in die Vergangenheit, zu den Schauplätzen des Zweiten Weltkriegs. Dort sind Dinge passiert, über die er ein Leben lang geschwiegen hat. Und Andrew ist der erste Mensch, dem er davon erzählt. So wird die Fahrt nach Europa nicht nur zur Katharsis für Mead, sondern gibt Andrew auch die Möglichkeit, sich seinem Großvater zu öffnen und ihm die Geschichte über seinen besten Freund Matt - und dessen Asche - anzuvertrauen.


Beurteilung:
Jonathan Hulls erstes Buch war „Damals, die Liebe“, ein Roman über einen alten Mann, seine große Liebe und den ersten Weltkrieg. Das Buch war bewegend und machte nachdenklich.
„In der Ferne die Normandie“ handelt von einem alten Mann und seinen Erlebnissen während des zweiten Weltkriegs. Und auch dieses Buch ist sehr berührend und ein eindringliches Plädoyer gegen den Krieg.

Andrew ist sechzehn und keineswegs ein Rowdy. Im Gegenteil: er ist in der Schule ein Außenseiter, der immer wieder gequält wird. Als er sich schließlich zur Wehr setzt, gilt er als der Angreifer und wird von der Schule verwiesen. Daß seine Mutter ihn daraufhin zu seinem Großvater schickt, ist für ihn eine schreckliche Aussicht. Für ihn ist sein Großvater ein Kriegsheld, der große Nazi-Killer, „Mr. D-Day“ persönlich. Er hat keine Ahnung, daß sein Großvater von ganz eigenen Dämonen gehetzt wird…

Die Erzählperspektive wechselt zwischen Andrew und Mead, wodurch die Kluft zwischen ihnen besonders deutlich wird. Für Andrew ist sein Großvater ein langweiliger alter Knacker und Komisskopf. Mead hingegen kann beim besten Willen nicht verstehen, was Andrew bewegt: es ging keiner Generation davor jemals so gut, die Jugend von heute kennt weder Hunger noch Armut und erst recht keinen Krieg. Erst als er Andrew fast verliert, erkennt er, daß auch er auf seinen Enkel zugehen muß. Er nimmt ihn mit zu den Kriegsschauplätzen und Soldatenfriedhöfen in Frankreich und hofft, ihm dadurch den Wert des Lebens klarzumachen. Aber er muß sich auf dieser Reise auch den Gespenstern stellen, die ihn selbst verfolgen.
Andrew und Mead könnten verschiedener nicht sein und sind sich trotzdem sehr ähnlich. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich beide langsam einander nähern und schließlich gegenseitiges Verständnis erreichen. Dabei wird nie behauptet, daß einer der beiden im Unrecht wäre - beide Standpunkte sind gerechtfertigt, wenn der Leser auch, je nach Alter, zu einer von beiden Seiten tendieren wird. Die Kriegserlebnisse von Mead sind dabei natürlich eindringlicher als die Schulprobleme von Andrew.
Das Ende der Geschichte ist sehr gelungen, auch wenn Andrews Sicht von Deutschland deutsche Leser etwas seltsam anmuten wird, aber schließlich ist es eine Geschichte, die aus amerikanischer Sicht erzählt wird.


Meine Wertung:
:buchwurm03:

Originaltitel: The Distance from Normandy
Übersetzer: Bernhard Jendricke und Robert A. Weiß
Kategorie: Historisch / Zweiter Weltkrieg
Hardcover
Hoffmann und Campe
431 Seiten
ISBN: 3455035868
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My recurring fantasy about libraries is that at night, after everyone goes home, the books come to life and mingle in a fabulous cocktail party. (Neal Wyatt)
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