Frank Schätzing: Der Schwarm

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Tirah
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Frank Schätzing: Der Schwarm

Beitrag von Tirah »

Frank Schätzing: Der Schwarm



Klappentext:
Ein peruanischer Fischer verschwindet auf offener See. Heerscharen hochgiftiger Quallen belagern die Küste Australiens.
Vor Kanada bleiben die Wale aus. Erst mit wochenlanger Verspätung treffen sie ein, doch die Tiere verhalten sich ungewohnt aggressiv. Unterdessen findet ein Ölbohrteam am Grund der norwegischen See seltsame Würmer mit gewaltigen Zangenkiefern, die sich zu Millionen in den Meeresboden graben. Wie hingezaubert scheinen sie dem Biologen Sigur Johanson, der die Tiere untersucht, um herauszufinden, ob von ihnen einen Gefahr für die Offshore-Industrie ausgeht.
Johanson ahnt, daß hinter den Anomalien mehr steckt als eine Reihe kurioser Zufälle: Etwas wendet das Leben im Meer gegen den Menschen. Zu ähnlichen Schlüssen gelangt auch der indianische Walforscher Leon Anawak, der sich über Nacht mit dem Zusammenbruch des Waltourismus, fanatischen Umweltschützern und dem amerikanischen Militär herumschlagen muß, das plötzlich den Mantel des Schweigens über die Vorfälle zieht. Offenbar wissen die Regierungen der USA und Kanadas mehr über die Bedrohung aus den Ozeanen: Eine Katastrophe dämmert herauf, die den Fortbestand der menschlichen Rasse in Frage stellen könnte. Doch wer oder was löst sie aus?
Die Wissenschaftler müssen erkennen, daß der Mensch über den Planeten, den er vermeintlich beherrscht, weniger weiß als über den Weltraum.


Beurteilung:
Der Schwarm ist ein Bestseller und der ganz große Erfolg für den deutschen Autoren Frank Schätzing. Das Buch stand auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurde mit der Goldenen Feder 2005 ausgezeichnet.
Ganz ehrlich gesagt: ich kann den Hype um dieses Buch nicht so ganz nachvollziehen. Es dauerte lange Zeit, bis ich in der Geschichte wirklich „drin“ war und das Buch spannend fand. Immer wieder wurden wissenschaftliche Exkurse eingeschoben; das Buch mag ja wissenschaftlich einigermaßen fundiert sein, für den Spannungsaufbau ist das aber nicht gerade förderlich. Erst nach rund einem Drittel wurde es richtig spannend und entwickelte sich stellenweise zum Pageturner. Leider blieb diese Spannung nicht konstant bis zum Ende erhalten.
Ein guter Ansatz ist die Kritik an der Umwelt- insbesondere der Meeresverschmutzung und an der Überfischung der Meere und dem Ölabbau. Die Idee, wer sich im Roman für diese „Umweltzerstörung“ rächt, ist originell. Deutschland spielt übrigens eine relativ große Rolle (man merkt, daß das Buch nicht von einem Amerikaner geschrieben wurde) und die Protagonisten sind sympathisch (Greywolf am meisten). Politiker z.B. werden zwar nicht namentlich genannt, man hat aber sofort ein Bild vor Augen, um wen es sich handelt. ;)
Dabei fand ich die Handlung um Anawak interessanter als die Erlebnisse von Johanson. Aber lange Zeit wird immer nur auf Anawaks geheimnisvollen Hintergrund angespielt, ohne daß dieser endlich einmal geklärt wird. Auch der große Showdown am Ende war mir viel zu klischeehaft. Überhaupt erinnerte mich das Ende zu sehr an einen Science Fiction-Thriller.
Mit weniger Seiten und durchgängigem Spannungsbogen wäre es ein großartiges Buch, so aber kann ich nur die Hälfte der „Höchstpunktzahl“ vergeben…


Meine Wertung:
:buchwurm1,5:

Kategorie: Thriller / Ökologie
Taschenbuch
Fischer
989 Seiten
ISBN: 3596164532 bzw. 9783596164530
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Tirah
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Beitrag von Tirah »

Hier noch mehrere Dinge, die mir aufgefallen sind, als Spoiler (nur lesen, wenn man das Buch kennt oder sich den Spaß verderben will ;) ):
Achtung Spoiler!
* Die Geschichte um Bohrmann reißt an einer spannenden Stelle ab, wird aber nicht wieder aufgenommen. Erst im letzten Kapitel erfährt man: „ach ja, ist übrigens gut ausgegangen“ - hier hatte ich deutlich den Eindruck, daß gekürzt und dabei geschlampt wurde

* Der große Showdown ist sehr klischeehaft - die Army als die Bösen (typisch) und General Li völlig durchgeknallt - warum muß es immer einen Psychopathen geben? Außerdem: kaum erreicht eine Frau einen hohen Rang in der Armee muß sie gleich einen Dachschaden haben? :roll:
Nach dem langen Aufbau erschien mir dieser Showdown sehr überstürzt - wieviel wurde hier gekürzt?

* Das letzte Kapitel um Weaver fand ich ziemlich abstrus - was sind Wachträume, was die Wirklichkeit? Das erinnerte schon sehr an SciFi-Filme.
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Gesior
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Beitrag von Gesior »

Ich lese das Buch gerade.
Mir gefällt es außerordentlich gut.
Die Reaktionen der Leserinnen und Leser scheinen geschlechtsspezifisch unterschiedlich zu sein:
Ist es "ein Männerbuch", wie eine Freundin sagte? Männer scheinen die wissenschaftlichen Passagen im Allgemeinen gut zu gefallen. Frauen stören sie wohl eher.
Von mir wird das Buch wahrscheinlich viele Würmer erhalten. Aber ich muss es noch zu Ende lesen. Ich werde etwas mehr schreiben, sobald ich es duch habe.
Seien Sonne, Wind und Wasser sanft um Euch und die Götter Euch wohlgesonnen!
GESIOR PALARE MIRRO
scolastcus artum arcanum. dominus mysteriorum. magister magicum.

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Gesior
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Beitrag von Gesior »

Für mich ist das eines der beeindruckendsten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Die reht zahlreichen Protagonisten sind gut charkterisiert und glaubhaft. Ob es die kettenrauchende Samantha Crowe, der seine Inuit-Herkunft leugnende Leon Anawak, der nicht mehr ganz junge Charmeur und analytische Denker Sigur Johanson oder einer der anderen wie General Judith Li oder der Öko-Aktivist Greywolf sind.
Die wissenschaftlichen Einschübe oder Exkurse fand ich interessant, lehrreich und für das Verständnis des Buches notwendig.
Die Idee ist außergewöhnlich und gut durchdacht und entwickelt.
Die Spannung steigt im Laufe der Handlung immer weiter an. Die dramatischen Ereignisse steigern sich von Einzelschicksalen bis hin zu globalen Katastrophen.
In meinem Geist hat Frank Schätzing Bilder entstehen lassen - das ist es, was ein gutes Buch ausmacht.
Alles in Allem ein gelungenenes und sehr lesenswertes Werk, so dass das Lesen der fast 1000 Seiten ein langes Vergnügen ist.
Einziger wirklicher Makel sind die letzten 35 Seiten, die mir bei weitem zu philosophisch und zu weitschweifig geraten sind. Da hätten vielleicht 5 Seiten gereicht.
Entscheidend für meine gute Bewertung ist aber, dass das Buch meine Gedanken auch außerhalb der Lesezeit beschäftigt hat. Alles ist vorstellbar. Ist das Beschrieben möglich? Kann es vielleicht sogar wahr sein?

:buchwurm2,5:

P.S. Die Danksagungen zu lesen ist ein Vergnügen für sich, wenn man Wortspiele mag.
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Luano
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Beitrag von Luano »

Ich fand die Geschichte sehr gut und auch nach der letzten Seite weiter denkwürdig. Die wissenschaftlichen Hintergründe sind möglicherweise nicht jedermanns Geschmack, aber ich fand sie sehr lehrreich. Selten habe ich wissenschaftliche Erkenntnisse so interessant verpackt gesehen.
Die Geschichte bietet eine Überraschung, auf die man zu Anfang absolut nicht kommt. Und der dargestellte Gedanke wurde konsequent zuende gedacht.
Ob man nun philosophische Anwandlungen in einem Thriller mag oder nicht, die Fragen, die - auch an die Leser - gestellt werden, halte ich für wichtig.

Die Schwächen in den Spannungsbögen und der Erzähllogik und die zum Teil langatmigen Beschreibungen haben mich auch gestört, aber dennoch würde ich das Buch uneingeschränkt empfehlen.

:buchwurm02: :buchwurm0,5:
reality.sys corrupted. Universe halted.
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