Anna Gavalda: Alles Glück kommt nie

Alle Blätter, die nicht an obige Äste passen.
Antworten
Benutzeravatar
Tirah
Druide
Druide
Beiträge: 2168
Registriert: Sonntag 17. Dezember 2000, 20:01
Wohnort: Gorond im Lande Gimmonae

Anna Gavalda: Alles Glück kommt nie

Beitrag von Tirah »

Anna Gavalda: Alles Glück kommt nie



Inhaltsangabe:
Ein Architekt in den besten Jahren, eine geschickt taktierende Vierzehnjährige, eine Krankenschwester, die das Leben anderer rettet und sich selbst nicht helfen kann, ein hochbegabter und gefährdetet junger Trompeter, ein alter Gaukler mit einer weißen Taube, eine junge Frau, die in der Abenddämmerung Verse von T.S. Eliot rezitiert und über einen Landsitz voller Kinder, Pferde, Hunde und ein Lama gebietet - von diesen und vielen anderen Menschen erzählt Anna Gavalda in ihrem neuen Roman.

Charles Balanda, 46, ist ein erfolgreicher Architekt und auch mit seinem Privatleben - eine langjährige Partnerin samt halbwüchsiger Tochter - durchaus nicht unzufrieden. Bis er eines Tages einen Brief bekommt, in dem nur drei Worte stehen: "Anouk ist tot." Von diesem Tag an ist für ihn nichts mehr wie es war. Denn Anouk ist nicht nur die Mutter eines Schulkameraden, sondern auch seine große Liebe gewesen. Sie war eine wunderbare Frau, und ihr Sohn Alexis war sein bester Freund, bis...
Was damals geschah, läßt Charles plötzlich nicht mehr los. Und außerdem ist da noch so vieles, was er nicht weiß: Wie ist Anouk gestorben? Wo hat sie zuletzt gelebt? Und was ist aus dem hochbegabten und gefährdeten Alexis geworden? All dies versucht Charles nun herauszufinden. Und merkt dabei, daß er sich eigentlich nach einem ganz anderen Leben sehnt, als er es führt.


Beurteilung:
Eigentlich müßte man die Rezension zu diesem Buch in zwei Teile spalten: zum einen ist da die erste Hälfte des Buches. Sie erzählt von Charles und seinem Leben. Wie er sich mehr und mehr in seinen Beruf flüchtet, und die Augen davor verschließt, daß seine Beziehung zu Laurence schon lange nur noch aus Gewohnheit besteht. Als er bei einem Besuch seiner Eltern einen Brief findet, in dem es nur heißt "Anouk ist tot", bricht für ihn eine Welt zusammen. Er stellt sein ganzes Leben in Frage. Wie ein Automat funktioniert er weiter und fühlt sich doch zerrissen und im Innersten erschüttert. Er läßt sein Leben Revue passieren und fragt sich, wo er den falschen Weg gegangen ist. Warum hat er sich nicht mehr bei Anouk gemeldet und was wurde aus seinem Freund Alexis, ihrem Sohn?

Im zweiten Teil lernt Charles auf der Suche nach Alexis eine ganz besondere Frau kennen: Kate. Sie ist es schließlich, die ihm hilft, seine Zerrissenheit zu überwinden. Aber alte Gewohnheiten sind nur schwer zu durchbrechen und Charles gelingt dies nur mit Hilfe seiner Schwester Claire. Und so bleibt am Ende dann doch ein Regenbogen und die Aussicht auf ein neues Glück.

Im Ganzen gesehen ist es ein schöner Roman, auch wenn die beiden Hälften nicht so recht zueinanderpassen wollen, denn im zweiten Teil sind sowohl Schreibstil als auch Atmosphäre ganz anders als im ersten Teil - der im übrigen nicht ganz einfach zu lesen ist. Gerade das macht aber auch einen Teil des Reizes dieses Buches aus. Dazu kommen Charaktere, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben: da ist natürlich Charles, dessen Zerrissenheit so gut nachvollziehbar ist. Da ist aber auch Nounou, der eine der schrägsten und dabei liebenswürdigsten (und wohl auch tragischste) der Figuren des Romans ist. Anouk, die immer verschwommen bleibt und sich nicht recht greifen läßt, was auch für ihren Sohn Alexis gilt. Claire, Charles Schwester, die einerseits so bodenständig und andererseits doch verzweifelt ist. Und natürlich Kate mit ihrer Menagerie, in deren Leben nicht immer alles eitel Sonnenschein war und die Angst vor neuen Verletzungen hat.
In Anna Gavaldas Romanen gibt es keine einseitigen Figuren, ihre Charaktere sind komplex und widersprüchlich. Der Reiz des Buches entfaltet sich erst, wenn man sich ganz darauf einläßt. Es ist keine Geschichte, die man zwischendurch beim Arzt im Wartezimmer liest oder mal eben eine Viertelstunde in der Bahn. Dieses Buch erfordert Zeit und Nachdenken, der Leser ist gefordert, selbst ein wenig hinter die Masken der Charaktere zu blicken. Und das ist schließlich das größte Vergnügen daran: in die Welt des Buches einzutauchen und für eine Weile mit den Personen darin zu leben.


Meine Wertung:
:buchwurm2,5:


Originaltitel: Le Consolante
Übersetzerin: Ina Kronenberger
Kategorie: nicht zuordbar
Hardcover
Hanser
604 Seiten
ISBN: 3446230572 bzw. 978-3446230576
Zuletzt geändert von Tirah am Sonntag 8. Februar 2009, 20:13, insgesamt 1-mal geändert.
Bild

My recurring fantasy about libraries is that at night, after everyone goes home, the books come to life and mingle in a fabulous cocktail party. (Neal Wyatt)
Benutzeravatar
Tirah
Druide
Druide
Beiträge: 2168
Registriert: Sonntag 17. Dezember 2000, 20:01
Wohnort: Gorond im Lande Gimmonae

Beitrag von Tirah »

Eine Anmerkung:

Achtung Spoiler!
Besonders hat mir gefallen, daß es eine Anspielung auf "Zusammen ist man weniger allein gibt": das Bistro, im dem Charles mit Claire ißt, gehört Franck und Philibert und Philibert erhält die Nachricht, daß er gerade Vater geworden ist. :-)

Sehr schön fand ich auch die Umbettung von Anouk und Nounou oder wie Charles den Grabstein von Anouk "umgestaltete" :-)
Bild

My recurring fantasy about libraries is that at night, after everyone goes home, the books come to life and mingle in a fabulous cocktail party. (Neal Wyatt)
Antworten

Zurück zu „Blättergeraschel“