Louisa Young: Eins wollt ich dir noch sagen

Historische gebundene Blätter
Antworten
Benutzeravatar
Tirah
Druide
Druide
Beiträge: 2168
Registriert: Sonntag 17. Dezember 2000, 20:01
Wohnort: Gorond im Lande Gimmonae

Louisa Young: Eins wollt ich dir noch sagen

Beitrag von Tirah »

Louisa Young: Eins wollt ich dir noch sagen



Klappentext:
Liebe in Zeiten des Krieges

Wie kann man lieben in Zeiten des Krieges? Was kann man versprechen, wenn die Zukunft einem nicht gehört?
Erster Weltkrieg. Nadine und Riley lernen sich als Kinder kennen. Sie, Tochter aus reichem Hause und er ein Kind des Arbeiterviertels. Als sie sich verlieben, hintertreibt ihre Mutter die nicht standesgemäße Beziehung. Enttäuscht von der Zurückweisung meldet sich Riley freiwillig an die Front. Bei einem kurzen Urlaub verloben sich Nadine und Riley heimlich. Nur ihr Briefwechsel gibt ihnen Halt in einer Welt, in der alle bis dahin gekannten Gewißheiten aufhören zu existieren. Und als Riley an der Zerstörungswut des Krieges zu zerbrechen droht und sich von ihr lossagt, ist Nadine am Boden zerstört. Sie läßt sich als Lazarettschwester nach Frankreich versetzen und hofft, Riley dort zu vergessen. Es gelingt ihr nicht…


Beurteilung:
Das Cover ist dezent und erinnert an alte Sepia-Photographien, ebenso ist der Einband gehalten. In sich also durchaus stimmig und zur Zeit des Ersten Weltkrieges passend. Erzählt wird die Geschichte der jungen Nadine, die aus gutem Hause stammt und des jungen Riley, eines Arbeiterjungen. Gekonnt erzählt die Autorin von der damaligen rigiden Gesellschaftsordnung, in der sich für ein Mädchen wie Nadine der Umgang mit einem Jungen wie Riley einfach nicht schickte.

"Eins wollt ich dir noch sagen" ist dabei kein Briefroman im eigentlichen Sinne, obwohl viele Briefe im Laufe der Handlung auftauchen und durchaus eine große Rolle spielen. Und trotz der Liebesgeschichte ist es in erster Linie ein Buch, das den Schrecken des Krieges greifbar macht und erst in zweiter Linie eine Romanze.
Die Autorin erzählt leise und dezent, da gibt es auf keiner Seite Kitsch. Es wird nicht schmalzig und nicht übertrieben dramatisch und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - wird klar um welch große Liebe es sich handelt.
Der Schrecken des Krieges wird deutlich aus Sicht von Riley, der drei Jahre lang in den Schützengräben kämpft. Besonders passend ist hier die Szene, als Riley sich zu Beginn des Krieges verpflichtet und vor der Wahl steht, sich für ein Jahr zu verpflichten oder für den Rest des Krieges. Natürlich wählt er die Option "bis zum Ende des Krieges", denn er will ja nun wirklich nicht für ein ganzes Jahr dienen! Diese Naivität, mit der damals von einer Kriegsdauer von nur wenigen Wochen, allenfalls Monaten, ausgegangen wurde, ist aus heutiger Sicht tragikomisch.
Nadine dagegen lebt in relativem Frieden in London, weit weg vom Geschützfeuer Belgiens und Frankreichs. Überzeugend schildert die Autorin, wie die Zivilbevölkerung sich zunächst dagegen sträubt, die gesellschaftlichen Änderungen wahrzunehmen und zum Ende des Krieges hin immer ausgelassener wird - der Beginn der "Wilden Zwanziger Jahre" steht bevor. Frauen wie Nadines Mutter weigern sich schlichtweg, die Lockerung der Gesellschaftsschichten zu akzeptieren und halten umso mehr an den überkommenen Moralvorstellungen fest. Nichts wünschen sie sich mehr, als daß alles wieder so wird, wie es vor dem Krieg war. Doch dieser Krieg, der nicht von ungefähr der "Große Krieg" genannt wurde, hat längst alle bestehenden Ordnungen hinweggefegt. Doch was wird aus den Menschen, die sich den veränderten Verhältnissen nicht anzupassen vermögen?

Ganz leise kommt dieser Roman daher, fast schon ebenso unauffällig wie sein Cover, und hinterläßt doch einen tiefen Eindruck: Nadine und Riley werden lebendig und ihr Schicksal, das stellvertretend für das Schicksal von Millionen steht, berührt. Und das gilt vielleicht ganz besonders für das Ende, das einfach das ist: ein Ende und zugleich ein neuer Anfang, weitab von jeglichem Kitsch und falscher Süße.
Ich habe das Buch geschenkt bekommen, andernfalls hätte ich es mir mit Sicherheit nicht gekauft, sondern unbeachtet in der Buchhandlung liegen lassen - ich hätte einen großartigen Roman versäumt!


Meine Wertung:
:buchwurm03:


Originaltitel: My Dear I wanted to tell you
Übersetzerin aus dem englischen: Claudia Feldmann
Kategorie: historisch / Erster Weltkrieg / England / Romanze
Hardcover
List
426 Seiten
ISBN 3471350470 bzw. 978-3471350478
Bild

My recurring fantasy about libraries is that at night, after everyone goes home, the books come to life and mingle in a fabulous cocktail party. (Neal Wyatt)
Benutzeravatar
Tirah
Druide
Druide
Beiträge: 2168
Registriert: Sonntag 17. Dezember 2000, 20:01
Wohnort: Gorond im Lande Gimmonae

Re: Louisa Young: Eins wollt ich dir noch sagen

Beitrag von Tirah »

Besonders gefallen hat mir übrigens Rileys Erklärung für den Ersten Weltkrieg auf Seite 32.f:

"Ein Serbe hat den österreichischen Erzherzog erschossen, deshalb wollen die Österreicher die Serben verhauen, aber die Russen müssen die Serben beschützen, deshalb müssen die Deutschen die Franzosen verhauen, damit die den Russen nicht gegen die Österreicher helfen, und wenn sie die Franzosen verhauen haben, sind wir als Nächste dran, deshalb müssen wir sie in Belgien aufhalten […]".


Eine völlig korrekte Erklärung, aber trotzdem herrlich abstrus Bild
Bild

My recurring fantasy about libraries is that at night, after everyone goes home, the books come to life and mingle in a fabulous cocktail party. (Neal Wyatt)
Antworten

Zurück zu „Welke Blätter“